Hartberg-Fürstenfeld

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Wo die ÖVP-Welt noch „fast kitschig“ ist

Lopatka

 

Lopatkas Heimspiel bei einem steirischen Fusionsparteitag: Ein 100-Prozent-Ergebnis und kein Murren über die hinausgeschobene Steuerreform.

 

Quelle: KARL ETTINGER (Die Presse)

 

Dechantskirchen. Eine Halbe Bier oder ein antialkoholisches Getränk aufgespritzt auf einen halben Liter sind serviert. Die Blasmusiker sind in kleiner Besetzung angerückt. Knapp drei Dutzend Männer und einige Frauen und Jugendliche, die ganz hinten sitzen, haben an den beiden Tischen im Wirtshaus Platz genommen. Unruhig wird hier 20 Minuten nach der eigentlichen Beginnzeit niemand. Es wäre eine gewöhnliche Sitzung einer ÖVP-Ortsorganisation wie in vielen anderen österreichischen Landgemeinden. Wäre. Denn diese im oststeirischen Wechselland im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld geht zumindest als historisch in die Gemeindegeschichte ein.

Das liegt nicht daran, dass der Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs, Reinhold Lopatka, vorne an der Stirnseite des Saals im Gasthaus Schwammer sitzt. Es ist der erste gemeinsame ÖVP-Ortsparteitag von Dechantskirchen mit gut 1600 Einwohnern und Schlag bei Thalberg mit knapp 1000 Bürgern, die ab kommendem Jahr als Folge der Gemeindefusionen in der Steiermark vereint werden.

Für Lopatka ist es nicht nur ein Heimspiel, weil er hier zur Schule gegangen ist, in der Kirche ministriert hat und er nach wie vor im Bezirk wohnt. Für den Klubchef des Juniorpartners in der rot-schwarzen Koalition auf Bundesebene ist es nach einem stressigen politischen Arbeitstag im gut 100 Kilometer entfernten Wien ein entspannender Ausklang.

Ganz spart er später bei seinem 20-Minuten-Referat die ÖVP-Nöte rund um den auch intern immer wieder angegriffenen Bundesparteiobmann und Finanzminister Michael Spindelegger nicht aus. Es gehe „nicht so gut, wie ich es gerne hätte, aber auch nicht so schlecht, wir es in den Medien dargestellt wird“. Die guten Umfragen für den ÖVP-Spitzenkandidaten bei der EU-Wahl, Othmar Karas, müssen dabei ebenso als Beweis herhalten wie ausgerechnet in der Steiermark die 2013 verteidigte absolute Mehrheit durch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll.

Die Wahlbeteiligung am 25. Mai bereitet Lopatka Kopfzerbrechen. „Redet’s eure Bekannten, redet’s eure Nachbarn an“, bläut er den Schwarzen ein, damit möglichst viele zur EU-Wahl gehen.

Von den Funktionären im Saal wird all das weitgehend stumm zur Kenntnis genommen. Lopatka setzt dennoch nach: Mit dem Versprechen einer Steigerung der Arbeitsleistung der Bundesregierung, mit dem Werben um Verständnis für weniger Schulden und Zinsen. „Net, damit i sagen kann, i hab a Nulldefizit“, versichert er. Das Murren über die hinausgeschobene Steuerreform ist hier kein Thema – weder bei Lopatka noch bei der ÖVP-Basis. Allgemeine Aussprache – keine Wortmeldung.

Freilich macht Lopatka kein Hehl daraus, dass die Lage nicht befriedigend ist: „Da bei uns ist die Welt noch eine andere.“ In Dechantskirchen hat die ÖVP bei der Schlappe bei der Nationalratswahl 2013 entgegen dem bundesweiten Trend leicht zugelegt, bei der Landtagswahl 2010 sieben Prozentpunkte, bei der Gemeinderatswahl 2010 gar knapp 17 Prozentpunkte.

 

Frau in einer Männerdomäne

Wie das geht? Das wird an diesem Freitagabend auch klar. Mit Waltraud Schwammer, einer unaufgeregten Ortschefin, die seit 2005 im Amt ist und sich auf der Homepage als „Volksbürgermeisterin“ bezeichnet und mit betonter Gemeinschaft des schwarzen Ortsteams. Die karenzierte Religionslehrerin hat es in den Landtag geschafft, in der Männer-dominierten Gemeindepolitik war sie 2010 Geburtshelferin für die erste schwarze Frauengruppe.

Wichtiger aber waren der örtliche Gewerbepark, das neue Heim für den Musikverein, die Neugestaltung des Friedhofs. Und das jährliche Maibaumfest, das das meiste Geld in die Parteikasse bringt. Dabei ist es hier im Wechselland kein Honiglecken für einen Lokalpolitiker: Dafür sorgen die schwierige Arbeitsplatzsituation, die vielen Pendler nach Wien, die Probleme wegen des Erhalts der lokalen Zugsverbindungen.

Der erste gemeinsame ÖVP-Ortsparteitag von Dechantskirchen und Schlag bringt der Bürgermeisterin ein weiteres Amt: Vizebürgermeister Johann Zinggl macht ihr als ÖVP-Ortschef Platz, damit die Funktionen vor der Landtags- und Gemeinderatswahl 2015 in eine Hand kommen. Die 38 anwesenden Schwarzen stimmen alle mit Ja. „100 Prozent, das ist fast kitschig“, freut sich die Gewählte.

 

Schwarzer im roten Umfeld

Auf die Bürgermeisterin wartet nach der Zusammenlegung noch Arbeit, weil die Fusion ein Sonderfall ist. Ein Teil der SPÖ-dominierten Nachbargemeinde Schlag wird nämlich auf Betreiben der SPÖ-Fraktion an das rote Rohrbach im Lafnitztal angegliedert. Vor allem muss daher erst die Aufteilung des Gemeindevermögens geklärt werden. Für den ÖVP-Ortsparteiobmann der geteilten Gemeinde Schlag, Josef Zingl, bedeutet dies, dass er ebenfalls künftig zur roten Enklave im schwarzen oststeirischen Umfeld gehört. So hat, wie in Dechantskirchen bedauert wird, die Fusion auch ihre kleine persönliche „Tragödie“ des emsigen Mannes an der ÖVP-Basis zur Folge.